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Medienresonanz

Transformation in Deutschland und Gabentausch

Die Geschichte der deutschen Vereinigung und die Veränderungen in Ostdeutschland sowie das Thema Gabentausch sind die Arbeitsthemen, die oft in den Medien nachgefragt werden.

Interviews

  • 30 Jahre nach der Wende - Neue Foren für neue Helden

    30 Jahre nach der Wende - Neue Foren für neue Helden

    Interviewtext von Michael Hofmann

    Aufgenommen von Marcel Burkhardt am 06. November 2019 (08:49 Uhr)

    Die Zeit der extremen Umbrüche nach dem Mauerfall gehörte in Ostdeutschland den Wagemutigen. Braucht es heute "neue Helden"? Mehrere Sozialforscher geben Antwort

    Der Ostberliner Schriftsteller Thomas Brussig schrieb neulich für ein Hamburger Nachrichtenmagazin: "Wenn die Wende so was wie ein großer Blub-Badespaß war ("Wahnsinn!"), dann war die Nachwende ein Fleischwolf." Durch den wurden die allermeisten Ostdeutschen sinnbildlich gedreht in einer Zeit extremer Umbrüche und Unsicherheit.

     

    "Wir lassen nichts mit uns machen!"

    Es gab aber auch jene Typen, die sich - um im Bild zu bleiben - selbst pragmatisch durchwurschtelten durch ein neues Wirtschafts- und Verwaltungssystem und so zu "Helden der Nachwendezeit" wurden, wie der Soziologe Michael Hofmann sagt. Er spricht von "mutigen Typen", die sich und anderen etwas zugetraut hätten, nach dem Motto: "Wir machen das Beste draus - und vor allem: Wir machen es selbst! Wir lassen nichts mit uns machen."

    Ein gewisser Wagemut habe dazu gehört in einer Zeit, in der "sich quasi über Nacht alle alten Gewissheiten in Luft auflösten und das Leben völlig auf den Kopf gestellt wurde", so Hofmann. Die Haltung, nicht zu verzagen, sondern die Chancen für einen (Wieder)-Aufbau zu ergreifen, sei sehr stark honoriert und respektiert worden.

    So kam es 1989 zum Mauerfall: "Alltagshelden in Ostdeutschland" seien auch heute eher Leute, die versuchten, autonom ihr Leben zu meistern. "Selbstständige haben im Osten eine hohe Alltagsautorität", sagt der Leipziger Soziologe. Sein Kollege Klaus Dörre von der Uni Jena betont ebenso die starke Identifikation mit innovativen Unternehmern. Gleichzeitig sieht er Künstler und Kulturschaffende in gesellschaftlichen Vorbildrollen in einer Zeit, in der besonders in Ostdeutschland extreme politische Positionen immer mehr Anhänger finden.

     

    Plädoyer für mehr direkte Demokratie

    Dem weit verbreiteten Gefühl vieler Menschen, politisch zu wenig bewirken zu können, setzt er die Idee entgegen, Bürger nach Schweizer Vorbild über Volksabstimmungen bei bestimmten Themen stärker in politische Prozesse einzubinden: "Man würde so den Ball zurückspielen an jene, die meinen, sie hätten nichts zu sagen." Dörre sieht ein weitverbreitetes Bedürfnis in der Bevölkerung, "substanziell mitreden zu können". Dem solle man entgegenkommen - ohne Angst vor Populisten.

    Auch Michael Hofmann kann dieser Idee etwas abgewinnen. Denn aus seiner Sicht reichten heute "Ohnmachtsgefühle" bis in die Mitte der Gesellschaft hinein - mit gravierenden Folgen: "Viele haben entweder resigniert oder die Nerven verloren und zeigen autoritaristische Tendenzen: Sie sind dann plötzlich bereit, sich einem starken, autoritären Mann, der alles zum Guten wenden soll, unterzuordnen und ihn zu wählen."

     

    Mau: Lokale Eliten brauchen mehr Unterstützung

    Hofmann fordert deshalb zusätzlich zu Investitionen in "Institutionen des Alltags" und Foren außerhalb von politischen Parteien auch Runde Tische oder Bürgerräte, "in denen sich junge Talente profilieren könnten als Identifikationsfiguren". Unterstützung erhält er dabei von dem Berliner Soziologen Steffen Mau, der den leergefegten "vorpolitischen Raum" als größtes Problem der Demokratie in Ostdeutschland bezeichnet. Jener Raum vor Parlamenten und Parteien, in dem sich die Zivilgesellschaft organisiert.

    "Im Osten bräuchte es heute deutlich mehr Träger eines emphatischen Demokratieverständnisses, die vor Ort eine Art von Engagement und Zusammengehen über Projekte initiieren können und damit andere Menschen aktivieren und binden", sagt Mau. Natürlich gebe es positive Einzelbeispiele, wo so etwas bereits gut gelinge. "Aber es gibt viele andere Beispiele, wo populistische oder auch offen extremistische Kräfte massiv in die Zivilgesellschaft eingedrungen sind." Lokale Eliten bräuchten deutlich mehr Unterstützung, um die Menschen wieder mitzunehmen und für die Demokratie zu begeistern, so Mau.

  • Transkribiert nach dem Video von Dietrich Mühlberg

    Transkribiert nach dem Video von Dietrich Mühlberg

    Interviewtext von Michael Hofmann

    Aufgenommen von Simin Falsafi am 11. Juli 2005 (16.42 – 16.53 Uhr)

    Bei den wichtigsten kulturellen Veränderungen der letzten fünfzehn Jahre in Ostdeutschland sehe ich viele Gewinne, kulturell gesehen. Vor allem Gewinne an Reflexibilität und Sensibilität. Praktisch ist jeder in Ostdeutschland gezwungen worden, über sein Leben nachzudenken, über das was ihm wichtig ist. Und das sind ja kulturelle Prozesse, die gegen Spießertum und gegen Selbstgerechtigkeit wirken. Und insofern glaube ich, ist in Ostdeutschland eine Menge gewachsen, auch wenn es notgedrungen ist. Auch die neue Pluralität, die man verarbeiten musste, die Vielfältigkeitserfahrung - also hier ist eine Menge passiert und als Ursachen gibt es erst einmal die Erfahrungserweiterung durch Reisen, durch Multikulti, durch den Konsum und Wohlstand, die ganze Internationalität, dass neue Essen. Also hier ist eine Menge Bereicherung, kulturelle Bereicherung im Osten zu sehen und eine zweite Ursache kultureller Gewinne liegt in den Identitätskonstrukten, in neuen Identitätskonstrukten. Also die Ostdeutschen sind plötzlich eine Minderheit gewissermaßen wurde die Kultur, oder kulturelle Anstrengungen als Kompensation für die geringere institutionelle Verankerung der Ostdeutschen in Deutschland benutzt. Und da gibt es eigentlich zwei Konstrukte. Einmal dieses klagende Konstrukt der armen Ostdeutschen, und ein Konstrukt, was noch nicht so richtig deutlich ist, was eben ein neues Patchwork, eine neue, eher optimistische ostdeutsche Identität zum Ausdruck bringt, über die wir dann vielleicht noch reden könnten.

    Nächste Frage? Na gut, dann ziehe ich das einfach mal durch hier.

    Gab es auch in Westdeutschland einen kulturellen Wandel? - aber selbstverständlich, denn Wandel ist ja ein Prozess, der sich immer vollzieht aber nicht mehr so sehr im Sinne von Inglehart, dass sich jetzt mehr postmoderne Werte angeeignet werden, ich glaube sogar, inzwischen ist es so, dass wir materiell an den postmodernen Werten im Westen festhalten. Also das es eher wieder eine Vermaterialisierung dieser Entwicklung gibt, ein Festhalten, ein Verteidigen, und das kann man ja auch als einen eher wieder konservativeren Schwenk des kulturellen Wandels bezeichnen.

    Nein, in dieser Frage was die deutsche Vereinigung anbetrifft! In Westdeutschland hat die Vereinigung mit Ostdeutschland kaum Impulse für einen kulturellen Wandel hervorgerufen. Zum Beispiel wenn man diese  Pilawa-Show betrachtet, die jetzt im Fernsehen lief, die Hits der vergangenen Jahrzehnte, da war nicht ein ostdeutscher Hit dabei. Aber nicht, weil die gesagt haben, die Ossis interessieren uns nicht, das finden wir furchtbar, was die hatten - sondern die haben es schlichtweg vergessen. Und das ist doch schlagender Beweis, dass es hier leider keine Impulse für einen kulturellen Wandel im Westen gegeben hat. Nichts, gar nichts, da ist ja auch die Rede von den Ampelmännchen und dem Linksabbiegepfeil als den Relikten des Wandels, die auch im Westen angekommen sind - und da ist leider was dran.

    Dritte Frage: stehen sie zu ihren Auffassungen von 1994? Ja - ich könnte jetzt als gelernter Ostdeutscher sagen: wir stehen vollinhaltlich hinter den Beschlüssen von 1994! Und zwar aus zwei Gründen. Wir fragten damals, was sind denn die Ursachen eines kulturellen Wandels. Und da haben wir gesagt, die Ursachen liegen eben nicht in den Normen oder in den moralisierenden Aufforderungen verschiedener Eliten Westdeutschlands oder auch Ostdeutschlands, wie die Ostdeutschen gefälligst zu sein haben, sondern die Ursachen für einen Wandel liegen in offenen sozialen Räumen, in Bewegungsfeldern und die sind - etwa für Industriearbeiter überhaupt nicht da gewesen, im Gegenteil, die Räume waren geschlossen. Also sind diese Anforderungen für kulturellen Wandel völlig aus der Luft gegriffen. Und die zweite Frage, die wir damals stellten, war die Frage, wie geht kultureller Wandel eigentlich vor sich. Und da haben wir damals von den Generationen gesprochen. Es gibt eben offene soziale Räume, nicht immer. Es sind historische Gelegenheitsstrukturen,, die ganz bestimmte Erwartungshorizonte und Handlungsspielräume für eine bestimmte historische Zeit und für eine bestimmte Generation öffnen. Und dieses Lebensgefühl, diese Einstellung, die vererbt sich dann auch wieder. Und deswegen haben wir uns damals völlig zu Recht dem Ausspruch von Huinink angeschlossen, dass in Ostdeutschland wahrscheinlich verschiedene verlorene Generationen aufeinander folgen, denn wenn dieser Erwartungshorizont und diese Handlungsspielräume für eine Generation der Eltern nicht da waren und sind,, dann spüren die Kinder das, dann werden diese Einstellungsmuster praktisch auch vererbt, Und wir haben ja jetzt kaum noch offene soziale Räume, sodass diese verlorenen Generationsfolgen relativ realistisch sein werden. Und: man ist ja immer gut beraten unberaten in solchen Zeiten eher pessimistische Prognosen abzugeben, das liegt ja auch an der Zeit und an diesen kulturellen Vorsichtigkeiten, die wir jetzt kennen. 

    Viertens: welche kulturellen Prozesse sind in Ostdeutschland eigentlich am interessantesten? Also ich glaube, durch die geringere institutionelle Verankerung der Ostdeutschen im System der Bundesrepublik, ist die Kultur eben besonders wichtig. Auch ist sie ein noch offenes Feld - Kulturforschung im Osten ist also insgesamt interessant, hier ist noch vieles möglich, hier kann man noch vieles sehen. Aber eben nicht, wenn man „die“ Ostdeutschen ins Visier nimmt. Es sind eher zwei Tendenzen, für die wir uns interessieren und zu denen wir auch arbeiten. Das ist einmal die Frage, was wird aus den Arbeitern? Das ist eine interessante Frage, weil wir wissen, dass so etwas wie Mentalität oder habituelles Grundmuster nicht verschwindet. Es wird vererbt, es strukturiert sich um, setzt neu an, es gibt ein Recycling von Mustern - aber Arbeiter bleiben von ihrer Kultur her Arbeiter. Die werden nicht einfach Intellektuelle oder irgend was anderes, moderner Arbeitnehmer - man kann die so nennen, aber die Grundmuster bleiben erkennbar über lange historische Zeiträume und deswegen ist es interessant zu fragen, was die jetzt daraus machen, was wird aus einer ehemaligen Industriearbeitergesellschaft die keine Industriearbeit mehr hat. Wie werden diese Mustern weiter vererbt, wie verwandeln sie sich, ohne dass sie sich grundlegend unterscheiden von den traditionellen Mustern. Und da gibt es eben zwei Forschungsfelder. Das ist einmal die neue Kultur der Unterschichten, also dieses, was man unter Enttraditionalisierung fast. Und das andere ist etwas, was überhaupt noch wenig erforscht ist: diese neuen Kulturen der Selbstausbeutung, dieses unbedingt auf ehrlicher Art und Weise mit seiner Hände Arbeit Geld verdienen zu wollen und zu müssen. Diese Kultur der Selbstausbeutung führt zu einer unglaublichen Welle von - wenn man so will – kultureller Verelendung und Vereinsamung. Die Leute strengen sich auf Arbeit unheimlich, leben allein in kleinen Zimmern und sind hier kulturell ohne Netzwerk und sozial ohne Anschluss - und das ist noch wenig untersucht, die Leiden, die hier entstehen, das ist auch ein Forschungsfeld. Und das zweite Forschungsfeld auf diesem Gebiet sind – und hiefür gibt es auch ein bisschen wenig Aufmerksamkeit - neue Szenen und Milieus in Ostdeutschland. Vor allem aus jener interessanten Generation, die in der Wendezeit sozialisiert wurde. Die haben historische Erfahrungen gemacht, die es in dieser Form in Deutschland nicht gibt, und die haben die Chance, auch neue Muster auszubilden (Sinus spricht von aufstiegsorientierten Pioniermilieus und neuen Szenen). Die sind ebenfalls interessant, weil sie in Ostdeutschland besonders präsent sind. Und die müssen wir im Blick behalten und nicht immer nur die Klagegemeinschaften untersuchen.

    Fünfte Frage - internationale Chancen und Gefahren - Puh!

    Es gibt keine neuen Chancen oder Gefahren in der Kultur, es sind immer noch die alten. Und die Hauptgefahr ist immer noch die alte, dass ist die Verkommerzialisierung. Die emanzipatorische Kraft unserer westlichen Kultur droht hier verloren zu gehen. Das spüren wir ja gerade als Ossis, und deswegen wird ja so viel moralisiert in dieser Gesellschaft, weil diese Moral mit der emanzipatorischen Kraft der westlichen Kultur zusammenhängt. Das ist nur der aufklärerische Gestus, all das, was uns wichtig ist, ist nur im Doppelpack zu haben. Man kann nicht die Schönheiten der westlichen Kultur als ästhetischen Kommerz verkaufen, ohne dass die Moral daran Schaden nimmt. Und das ist die alte Frage, und wir brauchen wahrscheinlich auch wieder so etwas wie eine Erneuerung hier auf diesem Feld, die diese emanzipatorische und moralische Kraft der westlichen Kultur wieder mehr zur Geltung bringt.

    Und das Letzte war ja diese schöne Frage, was ist wichtiger, als diese Fragen beantworten - das ist ganz einfach. Gitarre spielen und ins Theater gehen, also Kultur zu machen.

  • Interview mit dpa am 06.12.2013 über Geschenke und Geschenkestress

    Interview mit dpa am 06.12.2013 über Geschenke und Geschenkestress

    Frage: Herr Hofmann, was macht ein ideales Geschenk aus?

    Antwort: Das ideale Geschenk ist ein wunderbar getroffenes Symbol der Beziehung, die man zu dem Beschenkten hat. Ich darf dem Beschenkten nicht zu nahe treten, etwa dass ich meiner Kollegin Parfüm oder rote Rosen schenke. Andererseits darf ein Geschenk nicht lieblos sein. Diese Balance zu finden, den Stand der Beziehung zu symbolisieren, das ist die Kunst des Schenkens.

    Frage: Geschenke bergen immer auch Enttäuschungen, zum Beispiel wenn wieder nur Socken oder die fünfte Krawatte auf dem Gabentisch landen. Was sind die größten Fallstricke?

    Antwort: Geschenke sind immer auch gefährlich. Gefahr steckt weniger im fünften Paar Socken oder im sechsten Schlips - das sind solide Waren, die Gebrauchswert haben. Die Gefahren lauern woanders, nämlich darin, dass ich einem Menschen zu viel zumute mit meinem Geschenk. Zum Beispiel, wenn ich ihn mit einem besonders teuren Geschenk beeindrucken möchte oder jemanden mit Geschenken überhäufe. Schenken ist alles andere als Ökonomie, es ist ein symbolischer Austausch. Geld spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Das Wichtigste ist, das man mit dem Geschenk den anderen erkennt und im Idealfall auch selbst durch das Geben erkannt wird.

    Frage: Um dem Geschenkestress vor Weihnachten zu entgehen, vereinbaren manche Menschen, sich nichts zu schenken. 

    Antwort: Das ist ein tückischer Pakt, den würde ich nie eingehen. Und die Gesetze des Sozialen werden damit nicht aufgehoben. Man darf nicht aufhören, dem anderen mal einen Blumenstrauß mitzubringen oder etwas Gutes zu tun. Wenn die Absprache, sich nichts zu schenken, von Dauer ist, dann ist das eine soziale Verarmung und Bankrotterklärung. Denn das entspricht nicht unserem sozialen Wesen. Beim Schenken kommt es auf Symbolik an und die muss gewahrt werden - auch wenn man kein materielles Geschenk macht. Wir werden asozial, wenn wir nicht mehr schenken.

    Frage: Also lieber ein Verlegenheitsgeschenk als gar keins?

    Antwort: Ja. Wenn man dreimal nichts schenkt, ist die Beziehung  wahrscheinlich hinüber. Gerade in langjährigen Partnerschaften ist es wichtig, die Beziehung mit Geschenken zu symbolisieren, und das nicht nur zu hohen Festtagen wie bspw. Weihnachten. Unerwartete Geschenke erhöhen vielmehr das Gefühl der Wertschätzung des Schenkers gegenüber dem Beschenkten.

    Frage: Ich bekomme ein Buch oder eine Vase, die mir nicht gefällt. Ist es okay, dieses Geschenk an jemanden weiterzugeben, der daran Freude hat oder es brauchen könnte?

    Antwort: Das ist verzwickt. Ich habe heute noch ein lila Hemd im Schrank, das mir meine Mutter geschenkt hat. Das werde ich niemals anziehen, doch habe ich eine Scheu davor, es wegzugeben. Doch es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als Dinge wegzugeben, weil wir zu viele Dinge anhäufen. Es bleibt aber oft ein schlechtes Gewissen. Denn das Problem bei der Weitergabe von Geschenken ist, dass rituell betrachtet in jedem Geschenk etwas von dem Schenker selbst verankert ist. Aber es ist besser, ein Geschenk weiterzugeben, als es in den Mülleimer zu werfen. Ich werde dieses lila Hemd wohl irgendwann in die Kleiderkammer geben.

    Frage: Darf man es sagen, wenn ein Geschenk nicht gefällt? 

    Antwort: Ja, aber nicht im Augenblick der Übergabe. Schenken ist eine gefährliche Sache - deswegen gibt es einen strengen Ritus. Solche Riten haben die Menschen entwickelt, um komplizierte Situationen zu meistern. Die Handlungsvorschrift beim Schenken lautet: Ich muss das Geschenk annehmen und mich bedanken. Drei Wochen später kann ich aber an denjenigen herantreten und sagen: Das war nicht ganz mein Geschmack, ich steh nicht auf lila Hemden.  

    Frage: Ein Geschenk abzulehnen ist aber tabu, zum Beispiel wenn es zu teuer ist?

    Antwort: Beides ist eine Kriegserklärung - ein Geschenk abzulehnen oder einem Freund ein unangemessen teures Geschenk zu machen. Er ist dann ja gezwungen, etwas Gleichwertiges zurückzuschenken. Das löst einen Statuskampf aus und kann im Bruch der Beziehung enden. Unangemessene Geschenke darf man nur seinen Kindern machen, weil es da die Weitergabe von Status symbolisiert.

    Frage: Haben Sie noch einen Tipp für Leute, die noch händeringend nach einem Geschenk für Weihnachten suchen? 

    Antwort: Wir sind beim Schenken oft nicht sehr mutig. Gerade dadurch kann man aber andere überraschen. Und meist sind es Kleinigkeiten, die den Gefühlswert eines Geschenks ausmachen. Sehr sinnvoll ist es auch Zeit oder etwas Selbstgemachtes zu verschenken. Zuwendung oder ein Lächeln sind symbolische Formen des Schenkens, die wir heute leicht unterschätzen. Diese Art von Geschenken sind die höchsten und sie sind am billigsten.

    Professor Michael Hofmann ist Geschäftsführer des Kollegs «Postwachstumsgesellschaften» am Institut für Soziologie der Universität Jena. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kultursoziologie und Milieuforschung. Dabei beschäftigt er sich auch mit dem Thema Schenken und Verschwenden.


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